Die Bindung von Kunden sowie stabile Geschäftsbeziehungen zu Kunden sind für Unternehmen ein wichtiger Überlebensfaktor. Durch die Vielzahl neuer Angebote und Wettbewerber zeigen sich Kunden wechselfreudig und wandern nicht selten sang- und klanglos ab. Neben der Neukundengewinnung ist der Erhalt des Kundenstammes eine der wichtigsten Säulen für wachsenden Umsatz und somit den Unternehmenserfolg. In einer großen Studie von Adobe, dass für Onlineshops zwar Kunden mit mindestens einem Wiederholungskauf nur einen Kundenanteil von 8% darstellen, aber für 41% des Umsatzes verantwortlich sind. Stammkunden kaufen mehr und zu höheren Preisen. Churn Management lohnt sich also doppelt: Abwanderung verhindern und wertvolle Kunden erhalten! Neben vielfältigen Verfahren aus dem Marketingbereich werden im Churn Management für die Vorhersage von abwanderungswilligen Kunden komplexe Algorithmen aus dem Data Mining, insbesondere Verfahren der Predictive Analytics (prädiktive Analyse), verwendet. Abhängig von den angebotenen Produkten, den Kundengruppen und den vorhandenen Daten ist eine individuell angepasste Churn Prediction notwendig.
Unsere Experten beraten Sie gerne für eine individuelle und passgenaue Lösung für Ihr Unternehmen. Wir freuen uns auf Ihre Herausforderung.
Dieser Artikel beantwortet folgende Fragen:
- Was versteht man unter Churn Management?
- Wie wird Predictive Analytics im Churn Management eingesetzt?
- Wie wird Churn Prediction durchgeführt?
- Case Study: Wie wird eine prädiktive Analyse im Churn Management zur Vorhersage von Kundenabwanderungen durchgeführt?
Churn Management: Abwanderungsgefährdete Kunden erkennen
Ein Ziel des Customer Relationship Managment (CRM) bzw. Kundenservices besteht darin, Bestandskunden zu halten. Dazu muss man abwanderungswillige Kunden erkennen und von einer Abwanderung abhalten. Dieser Teilbereich wird als Churn Management bezeichnet.
Churn = Change & Turn
Der Begriff Churn Management setzt sich aus den beiden Worten change (Veränderung, Wechsel) und Turn (abbringen) zusammen. Somit werden die beiden Hauptaufgaben im Churn Management beschrieben:
- Wechselwillige Kunden identifizieren und
- Von einer Kündigung / einem Wechsel abbringen.
Churn Management setzt ein, bevor eine Kündigung wirksam geworden ist. Es muss also eine prädiktive Analyse durchgeführt werden. Bestandskunden, die eine Kündigungsabsicht äußern oder als gefährdet eingestuft werden, sollen als Kunden gehalten werden. Verfahren, die eine Abwanderung vorhersagen, werden dabei als Churn Prediction bezeichnet.
Sie möchten die Vorteile von Churn Prediction oder andere Data Mining Verfahren auch für Ihr Unternehmen nutzen? Gerne stehen Ihnen unsere Experten für ein detailliertes und individuelles Beratungsangebot zur Verfügung. Wir freuen uns, mit Beratung zu Predictive Analytics oder Predictive Modeling zur Seite zustehen. Wir erklären anschaulich und anwendungsorientiert die Möglichkeiten und Optionen von predictive Analytics für Ihr Unternehmen. Nehmen Sie Kontakt auf! Wir freuen uns auf ein Gespräch.
Praktischer Einsatz von Churn Mangament
Churn Management wurde ursprünglich bei vertragsgebundenen Kunden in der Telekommunikationsbranche eingesetzt. Durch vorgegebene Vertragslaufzeiten muss einem Wechsel eine Kündigung des Vertragsverhältnisses vorangehen.
Auch bei nicht vertraglichen Kundenbeziehungen lassen sich Verfahren des Churn Managements einsetzte, allerdings erfordert die Identifikation von abwanderungswilligen Kunden besondere Sorgfalt. Zunächst werden Kunden dabei in „Einmal-Käufer“ und „Stammkunden“ segmentiert. Durch spezielle Kundenprogramme wie Treuekarten oder Kundenkarten bzw. Kundennummern lassen sich diese beiden Segmente voneinander trennen. Auch längere Einkaufspausen oder ein Nachlassen der Kaufaktivitäten kann man durch predictive Analytics entdecken. Eine klare Abgrenzung von Kaufpausen und Abwanderung ist allerdings ohne Vertragsbindung nicht möglich.
Phasen des Churn Managements
Das Churn Management erfordert eine enge Zusammenarbeit von Daten Analysten und Marketing Spezialisten. Das Churn Management wird nach Schüller (2007) in fünf Phasen unterteilt:
- Identifizierung von abwanderungswilligen Kunden (Churn Prediction, prädiktive Analyse)
- Analyse der Ursachen, die zur Abwanderung führen
- Planung und Implementierung von Konzepten zur Vermeidung einer Abwanderung oder Kündigung
- Erfolgskontrolle sowie Optimierung der Maßnahmen
- Churn Prävention
Vorgehensweise Churn Prediction
Die Kernaufgabe des Churn Managements besteht darin, abwanderungswillige Kunden frühzeitig zu identifizieren. Diese Vorhersage bzw. prädiktive Analyse erfolgt auf Basis bestehender Kundendaten. Nicht selten werden hierzu riesige Datenmenge (Big Data) verarbeitet und mithilfe von Data Mining Verfahren Informationen generiert. In der Churn prediction verwendet man Klassifikationsalgorithmen, um „Abwanderer“ von „Nicht-Abwanderer“ zu unterscheiden. Dabei berechnet man Churn Scores, die die Abwanderungswahrscheinlichkeiten angeben. Diese Churn Scores werden anhand abgestimmter Kriterien wie verringerte Kaufkraft, Anzahl der Käufe pro Zeiteinheit, Supportkontakte etc. mit Methoden der predictive Analytics errechnet.
Ein ausführliches Beispiel einer Churn Prediction ist in der folgenden Case Study aus unserer Beratungspraxis zu finden.
Case Study: Churn Prediction für ein Logistik Unternehmen
Ein großes Logistikunternehmen mit einem großen Kundenstamm möchte abwanderungsbereite Kunden frühzeitig identifizieren. Aus dem firmeneigenen CRM System stehen hierzu detaillierte Daten von Kunden aus den letzten 10 Jahren zur Verfügung.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass man aus den Bestandsdaten abgewanderte Kunden nicht eindeutig identifizieren kann. Kunden können auch ohne Abwanderungsabsicht längere Zeit keine Lieferung beauftragen, beispielsweise weil für gewisse Regionen keine Bestellungen auf Kundeseite vorliegen. Auch saisonale Schwankungen in der Auftragsfrequenz sollte man berücksichtigen.
Fragestellung
Anhand der bestehenden Daten möchte der Auftraggeber Kunden identifizieren, die abwanderungsgefährdet sind. Der Auftraggeber wünscht ein Ampelsystem, das heißt jedem Datensatz soll ein Farbcode zugeordnet werden, das die Abwanderungsgefährdung anzeigt. Dabei sollen die drei Codes Grün (keine Gefährdung), gelb (potentiell gefährdet) und rot (akute Abwanderungsgefahr) verwendet werden.
Mitarbeiter im Kundenservice des Auftraggebers sollen dadurch auf den ersten Blick eine Einordnung vornehmen können.
Daten
Die zur Verfügung stehenden Daten stammen aus dem eigenen CRM System und umfassen alle Kundenaufträge der letzten 10 Jahre. Die Daten umfassen unter anderem Informationen zur Branche des Kunden, zeitliche Variablen (Auftragsdatum, Quartal, Lieferdauer in Tagen), Auftragsvolumen gesamt, Umsatz und Gewinn jedes Auftrags, Gewicht und Volumen der Lieferung. Insgesamt umfasst der Datensatz über 1,3 Millionen Beobachtungen (Frachten/Lieferungen).
Methodik
Die Daten werden mit dem Programm RapidMiner Studio ausgewertet. Zuerst erfolgt eine Überprüfung der Daten hinsichtlich Verteilungsstruktur und Ausreißer. Anschließend berechnet man die abgeleiteten Größen und aggregiert die Daten auf der Monatsebene.
Für die Modellierung der Abwanderungsgefährdung und der prädiktiven Analyse kommt ein generalisiertes lineares Modell (GLM) zum Einsatz. Die verwendeten Einflussvariablen für dieses Modell sind Zeit, Quartal, Lieferdauer, Auftragsvolumen gesamt, Umsatz sowie Gewinn pro Monat. Die Modellierung wird separat für jeden Logistikkunden durchgeführt. Im ersten Schritt werden die Einflussvariablen hinsichtlich Multikollinearität überprüft und stark korrelierende Einflussvariablen entfernt. Anschließend führt man eine Kreuzvalidierung durch. Hierzu teilt man den Datensatz in Trainings- und Testdatensatz auf. Anhand des Trainingsdatensatzes wird das GLM geschätzt und Variablenselektion durchgeführt. Im nächsten Schritt erfolgt die Auswertung der Modells und die Prediction anhand des Testdatensatzes. Zuletzt werden die tatsächlich beobachteten Werte mit den vorhergesagten Werten (predicted values) verglichen und die Residuen berechnet.
Die Einteilung der Gefährdungsstufen erfolgt über den Vergleich der Predicted values und den beobachteten Werten. Überschreitet die Abwanderungswahrscheinlichkeit 50%, so wird der Kunde als abwanderungsgefährdet (rot), unter 20% als nicht abwanderungsgefährdet eingestuft (grün). Als potentiell abwanderungsgefährdet gelten Kunden mit einer Abwanderungswahrscheinlichkeit zwischen 20% und 50% (gelb).
Umsetzung
Die Berechnung der Modelle, Modellvalidierung und die Prediction wurde in RapidMiner umgesetzt.
Als Ergebnisse dieser Auswertung wird ein Datensatz erstellt mit allen relevanten Einflussvariablen (Variablenselektion), der beobachteten Zielvariable sowie den vom Modell vorhergesagten Werten (predicted values).
Die Datentabelle mit den vorhergesagten Werten wird anschließend weiter aufbereitet, so dass die Kriterien für auffällige Abwanderungstendenzen des Auftraggebers umgesetzt werden können. Hierzu werden monatsweise vorhergesagte und beobachtete Werte vergleich und quartalsweise ausgegeben. Die Summenwerte werden in einer Spalte hinzugefügt und können für eine weitere Verarbeitung verwendet werden.
Die Prozesse können anhand der Algorithmen wiederholt mit aktualisierten Daten durchgeführt werden, so dass immer aktuelle Abwanderungsvorhersagen vorliegen.
Zusammenfassung
Churn Management ist ein wesentlicher Bestandteil des Customer Relationship Managements und sorgt für einen Erhalt relevanter Kunden. Für die Berechnung der Churn Scores werden statistische Verfahren, nicht selten Algorithmen aus dem Data Mining und predictive Analystics eingesetzt. Die Berechnungen und gewählten Verfahren richten sich dabei stark nach den Anforderungen und Erwartungen der Kunden und sind individuell auf die Produkte, Branche und den Bedarf abzustimmen. Für Churn Prediction gibt es keine Standardlösung. Tragfähige Prozesse kann man nur in enger Abstimmung erstellen.
Weiterführende Quellen
Anne M. Schüller (20017): Come back!: wie Sie verlorene Kunden zurückgewinnen