Bei einer Hypothese handelt es sich um ein wichtiges Arbeitsmittel, das der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragestellung dient. Wie jedes Instrument muss auch dieses passend sein und gut funktionieren. Nicht umsonst ist der Hypothesenabschnitt immer wieder der Teil einer empirischen Arbeit, in dem eine Analyse scheitert, bevor die empirischen Daten überhaupt erst ins Spiel kommen. Eine Hypothese muss nicht klangvoll oder spannend klingen, vielmehr spannt Sie den Bogen zwischen Fragestellung und Empirie. In diesem Beitrag skizzieren wir drei Gedanken, mit deren Hilfe Sie wirkungsvolle und überprüfbare wissenschaftliche Hypothesen formulieren.
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Gedanke 1: Hypothesen formulieren sowohl im Theorieteil als auch im empirischen Teil
Es gibt ein typisches Vorgehen, wie eine wissenschaftliche Fragestellung bearbeitet wird. Mit Blick auf den Forschungsprozess lässt sich damit die Frage: Was ist eine Hypothese? leicht beantworten: Eine Hypothese ist das Verbindungsstück zwischen Theorie und Empirie.
Eine Theorie ist ein gedankliches Konstrukt, das Elemente in eine systematische Beziehung zueinander setzt. Eine Theorie muss nicht zwingend aus einem Philosophiebuch stammen, sie wird vielmehr im Rahmen des aktuellen Forschungsstandes dargelegt und sollte unbedingt nachvollziehbar begründet sein. Auch muss eine Theorie nicht zwingend so umfangreich sein wie die Evolutionstheorie; sie kann sich de facto auf einen kleinen thematischen Bereich begrenzen. Allerdings sind auch „kleine“ Theorien in ihrer Ganzheit nicht überprüfbar. Empirisch überprüfen lassen sich aber nur Einzelaussagen. Das sind die Hypothesen.
Hypothesen müssen aus der vorgegebenen Theorie ableitbar sein, sich darin begrifflich wiederfinden und dieser nicht widersprechen. Sie dürfen nicht „aus dem Nichts“ kommen. Sie müssen so formuliert sein, dass man danach ein „weil“ platzieren kann. Die Antwort auf dieses „weil“ muss sich im theoretischen Teil der Arbeit wieder finden. Da Hypothesen die Theorie mit der Empirie verbinden, müssen sie auch empirisch zugänglich und überprüfbar sein. Sie dürfen sich also nur auf (theoretische) Begriffe oder Konzepte beziehen, die danach empirisch auch gemessen werden. Auch sollten einzig Hypothesen in einer Arbeit stehen, die später auch tatsächlich geprüft werden.
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Gedanke 2: Eine Hypothese ist überprüfbar und widerlegbar
Wir wissen also nun, was ist eine Hypothese. Was bedeutet aber, dass eine Hypothese übergeprüfbar ist? Dieser Umstand ist in der Wissenschaftstheorie unter Begriff Falsifikationsprinzip geklärt. Konkret, eine wissenschaftliche Aussage muss immer potenziell falsifizierbar, also durch die Feststellung des Gegenteils widerlegbar sein. So eignen sich Fragen grundsätzlich nicht als Hypothesen, weil sie rein sprachtechnisch nicht widerlegbar sind.
No good Practice: Verdienen Frauen anders als Männer?
Gleiches gilt für Wertungen bzw. präskriptive Aussagen: da Hypothesen sich immer auf empirische Zusammenhänge beziehen, müssen sie auch auf empirischem Wege widerlegbar sein. Man kann aber durchaus im Rahmen einer wissenschaftlichen Fragestellung die empirische Komponente einer Wertung prüfen.
No good Practice: Frauen sollten nicht anders verdienen als Männer.
Good Practice: Das Einkommen der Frauen unterscheidet sich vom Einkommen der Männer.
Besonders in den Sozialwissenschaften werden Phänomene untersucht, die keiner strikten Gesetzmäßigkeit unterliegen. So gibt es selbstverständlich Frauen, die mehr als viele Männer verdienen. Da ansonsten jede Aussage von vorne rein widerlegt wäre, arbeitet man hier eigentlich mit sogenannten probabilistischen Hypothesen. Das bedeutet, dass Wahrscheinlichkeiten oder Chancen betrachtet werden.
Very good Practice: Das wahrscheinliche (durchschnittliche) Medianeinkommen der Frauen unterscheidet sich vom wahrscheinlichen (durchschnittlichen) Medianeinkommen der Männer.
Gemß dem Falsifikationsprinzip sind ‘Es-gibt’ Aussagen grundsätzlich nicht falsifizierbar. Beispiel: Es gibt keinen Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männer. Oft wird dabei jedoch vergessen, dass es nicht die Untersuchungshypothese ist, die widerlegt wird, sondern die sogenannte Nullhypothese. Aus diesem Grund sollte man keine Existenz-Hypothesen (als Nullhypothesen) formulieren, weil diese nicht widerlegbar sind.
Gedanke 3: Knappheit und Präzision beim Hypothesen formulieren beachten
Hypothesen sind essenziell für die Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragestellung im Rahmen der Versuchsplanung
. Man sollte also genau so viele Hypothesen formulieren, wie notwendig sind. Es ist nicht die Anzahl der Hypothesen, die eine Arbeit aussagekräftig macht! Man sollte daher auch Hypothesen vermeiden, die allein der Unterstreichung der Grundannahmen dienen. Auch die Kontrollvariablen bekommen keine eigenen Hypothesen.
No good Practice (weil aussagelos): Frauen und Männer haben Einkommen.
Aber nicht nur bei der Anzahl der Hypothesen, sondern auch bei ihrer Formulierung ist auf Knappheit zu achten. Eine Hypothese besteht in den allermeisten Fällen aus zwei Elementen: einer abhängigen und einer unabhängigen Variablen. Bei Hypothesen zu Mediation oder Moderation kommt eine dritte – vermittelnde – Variable dazu. Da es sich bei einer Hypothese um eine Aussage handelt, muss sie in einem Satz formulierbar sein. Auch Aufzählungen gilt es zu vermeiden. Weiters sollte pro Hypothese nur ein(!) Sachverhalt (1 Variable) geprüft werden.
No good Practice: Einkommen der Frauen und der Männer sind unterschiedlich. Darüber hinaus arbeiten Frauen in anderen Branchen als Männer.
Good Practice: H1: Das Einkommen der Frauen unterscheidet sich vom Einkommen der Männer. H2: Branchenzugehörigkeit mediiert den Einkommensunterschied zwischen Männer und Frauen.
No good Practice: Alter, Geschlecht und Bildung haben Einfluss auf die Höhe des Einkommens.
Good Practice: Einkommen einer Person hängt von folgenden Faktoren ab: H1: Alter – H2: Geschlecht – H3: Bildung.
Präzise und klare Hypothesen formulieren
Die Qualität einer wissenschaftlichen Aussage ist durch ihre Präzision bestimmt. Der Informationsgehalt eines Satzes bestimmt sich durch die Menge der Information, die dadurch ausgeschlossen wird. So kann ein Unterschied im Einkommen positiv oder negativ sein. Benennen wir die Zusammenhangrichtung, ist das Gegenteil nicht mehr Teil der Aussage. Es hanldet sich hier um gerichtete Hypothesenformulierungen.
Man soll dabei aber natürlich darauf achten, dass die präzisere Aussage auch mit den zur Verfügung stehenden empirischen Mitteln überprüft werden kann. Auch bestimmt das Skalenniveau der verwendeten Variablen darüber, welche Art des Zusammenhanges überhaupt benennbar ist. Soweit zulässig sollte man immer versuchen, Hypothesen möglichst informativ, klar und damit aussagekräftig zu formulieren.
Gleichzeitig sollte man dabei nicht übertreiben. Eine zu spezifische Aussage lässt sich nämlich fast immer widerlegen, was ihre Prüfung hinfällig macht. Auch muss es allgemein genug bleiben, damit der Leser eine Relevanz für sich erkennen kann.
Eigentlich good Practice, aber zu spezifisch: Frauen verdienen exakt 800 Euro weniger als Männer.
Good Practice: Das Einkommen der Frauen ist signifikant geringer als das Einkommen der Männer.
Fazit: 3 Schritte, um gute Hypothesen zu formulieren
Ausgehend von der Frage: Was ist eine Hypothese? haben wir erklärt, dass eine Hypothese eine begründete Aussage über einen vermuteten überprüfbaren empirischen Wirkungszusammenhang darstellt. Eine Hypothese ist zentrales Element bei der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragstellung. In diesem Beitrag haben wir folglich drei Schritte genannt, die den Leser beim Hypothesen formulieren unterstützen. Diese Gedanken lassen sich wiederum auf einige Stichpunkte zusammenfassen. Fragen Sie uns gerne unverbindlich über unser Anfrageformular an, wenn wir auch Sie auf diesem Weg unterstützen dürfen!
Schritt 1: Formulieren und verwenden Sie Hypothesen, die…
- einen Bezug zur Forschungsfrage haben
- emprisch begründet werden
- überprüfbar und damit prizipiell widerlegbar sind
Schritt 2: Beachten Sie:
- Keine Fragen; kein Konjunktiv; kein Imperativ
- Das Gegenteil muss zumindest prinzipiell möglich sein
- Keine Existenz-Hypothesen (‘Es gibt’)
Schritt 3:
- Genau so viele Hypothesen wie nötig
- Nur 1 Sachinhalt pro Hypothese
- So informativ wie möglich und nötig, dh. knappe, präzise und damit aussagekräftige Formulierung von Hypothesen.
Weiterführende Literatur
Diekmann, Andreas. Empirische Sozialforschung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Rowohlt: Reinbek bei Hamburg 2016.